ABSTRACTS : Edgar Dacqué, one of the most respected German palaeontologists of the
early 2Oth century, developed his own controversial ideas about the human phylum, which
he saw dating back to earliest geological times. His intention was a reconciliation of science,
mythos and religion. The publication of his speculative masterpiece "Urwelt, Sage und
Menschheit", however, brought his ridicule and he lost his university post.
With his idea of a humanity that was always present in the history of life, he can be seen as
a pionier of the theory of initial bipedalism.
Edgar Viktor August Dacqué wurde am 8. Juli als Sohn eines Bankiers in Neustadt in der
Pfalz geboren. Er studierte in München bei K.A. Zittel Paläontologie, promovierte 1903 und
habilitierte sich 1912 für Paläontologie und historische Geologie an der Universität München.
1915 wurde er Professor und Kustos an der Paläontologischen Sammlung des Bayerischen
Staates.
Sein Werk verlies zuerst nicht die Grenzen akzeptierter Paradigmen. Aus dieser Zeit
stammen hauptsächlich Arbeiten über paläogeographische und paläontologische Fragen. Er
beschäftigte sich vor allem mit der Fauna der Jura - und Kreidezeit, der Definition der Art,
und der vergleichenden Morphologie.
Dacqué’s Mutter war die Tochter des Sprach - und Religionsforschers Hermann Victor
Andreae, er selbst überzeugter evangelischer Christ. Naturwissenschaftliche und religiöse
Weltreich begannen sich ab 1924 in seinem Werk zu vereinen. Dacqué kritisierte die
Deszendenzlehre Darwins und Lamarcks gleichermassen - in ihnen fehlte die
Zielgerichtetheit der Evolution. Obwohl Dacqué die Evolutionslehre an sich akzeptierte, hatte
in seinem Denken der Mensch die ihm durch die christliche Lehre zustehende
Sonderstellung ( Quenstedt & Schröter 1957 : 465-466 ).
In seinem 1924 veröffentlichten Werk "Urwelt, Sage und Menschheit" fasste Dacqué zum
ersten Mal seine Synthese zwischen Mythos und Wissenschaft allgemeinverständlich
zusammen. Das Werk ist in einen naturwissenschaftlichen und einen metaphysischen Teil
gegliedert, doch hier soll hauptsächlich auf die paläontologischen Spekulationen Dacqués
eingegangen werden.
Dacqué denkt, dass der "Menschenstamm" weitaus älter ist als die heute bekannten
Homo-Formen, und sich durch alle geologischen Zeitalter zieht. Nun hat jede geologische
Zeit ( deren Ende Dacqué durch Katastrophen zustande kommen lies ) eine "Zeitsignatur"
( Dacqué 1924 : 71 ), eine herrschende Form, der sich
alle Lebewesen anpassen. Zur Zeit der
Vorherrschaft der Amphibien erschien alles amphibisch, zur Zeit der Dinosaurier alles
reptilisch, heute, in der Ära der Säuger, erscheint alles Leben säugetierhaft. Der zu allen
Zeiten vorhandene Menschenstamm, der in direkter, zielgerichteter Linie auf den heutigen
Homo sapiens hinführt, war ebenfalls durch diese Zeitsignaturen geprägt.
Der Urmensch des Perms z.B. war ein amphibisches, beschupptes Wesen, der Urmensch
des Mesozoikums ähnelte den grossen, aufrecht schreitenden Dinosauriern, gerade so, wie
der heutige Homo seiner Natur her der Zeitsignatur der Säugetiere entspricht.
Aus all diesen Urzeiten haben sich Merkmale bis auf den heutigen Menschen vererbt : aus
der Zeit des beschuppten, amphibischen Menschen stammen unsere Zehen - und
Fingernägel, aus der Zeit der Dinosaurier unser aufrechter Gang und der opponierbaren
Daumen ( Dacqué 1924 : 91 f ). Die Namen für
diese Urmenschen entnimmt Dacqué den Sagen und Legenden der Menschheit :
der Amphibienmensch ist der Adamit oder Skorpionsmensch ; die dem Homo
unmittelbar vorlaufenden Formen des Typus Mensch sind die noachitischen Menschen.
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" Der Adamitische Mensch "
( Babylonisches Rollsigel ) |
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" Noachitischer Mensch "
( Dresdener Mayahandschrift ) |
Da der Typus Mensch oder Menschenstamm durch alle geologischen Zeitalter hindurch
existierte, haben sich im "Rassengedächtnis" der Menschheit Erinnerungen an diese
primitiven Vormenschstadien erhalten, ebenso an die gewaltigen Katastrophen, die das
Ende jedes Erdzeitalters bedeuten, und die neue "Zeitsignaturen" und somit neue
Menschentypen mit sich brachten.
Der amphibische Skorpionsmensch etwa ist der Oannes der babylonischen Erinnerung,
jenes Mischwesen aus Fisch und Mensch, das im Schöpfungsmythos Mesopotamiens die
junge Menschheit in Schrift und Wissenschaft unterweist ( Dacqué 1924 : 91 ).
Der reptilische Mensch ( der Säuger, nicht Reptil war, das Wort reptilisch bezieht sich, wie
auch amphisch, nicht auf die zoologische Klassifikation, sondern auf die "Zeitsignatur" ) hatte,
den Reptilien entsprechend, ein drittes Auge, das Scheitelauge der neuseeländischen
Brückenechse (Dacqué 1924 : 79-84). Obwohl Spuren des Menschen erst aus jüngster
geologischer Zeit nachgewiesen sind, vermutet Dacqué dennoch in den Fuss- und
Handabdrücken des Chirotheriums einen möglichen Hinweis auf den frühen reptilischen
Menschen. Er vergleicht die Abdrücke des Chirotheriums mit der Embyonalhand des
Menschen, um zu zeigen, dass die menschentypischen Gliedmassen, gekoppelt mit dem
aufrechten Gang, in der Zeitsignatur des Trias bereits ausgebildet waren
( Dacqué 1924 : 65 f ).
Beschreibungen der wichtigsten Menschenarten findet Dacqué in den Mythen aller Völker
der Erde, besonders in den Sagen der Juden. Doch seine Gelehrsamkeit hat Hinweise auch
aus asiatischen und mesoamerikanischen Kulturen gefunden. Diese Indiziensuche ist der
schwächste Teil des Buches, manche Deutungen erscheinen heute nicht weniger abwegig
wie einige der unsinnigen Vorstellungen Erich von Dänikens.
Im Gilgameschepos findet er etwa in der Begegnung von Gilgamesch mit Utnapistim die
Begegnung zwischen rezenten und noachitischen Mensch beschrieben
( Dacqué 1924 : 77 f ),
allerdings sind seine Deutungen nicht so platt, dass er alles in seine Theorie zwängen würde :
das Totenreich ist ein transzendenter Zustand, und Dacqué versucht nicht, es konkret
festlegen zu wollen. In Mythen, so schreibt Dacqué ( 1924 : 78 ) ist "Mythologisches und
Junggeschichtliches, Äusserlich-Historisches und Wesenhaft-Metaphysisches verbunden, ja
vielleicht vom späteren Verfasser und Vertreter recht unverstanden durcheinandergebracht".
Die griechische Sage von stirnäugigen Polyphem, chinesische Ornamente mit stirnäugigen
Menschen und Tieren, und vergleichbare Erzählungen hält er für Rassenerinnerungen an
den mesozoischen Menschen ( Dacqué 1924 : 80 ). In den Darstellungen eines Dämonen aus
der Dresdener Mayahandschrift sieht er das getreue Abbild des paläozoischen Menschen
mit seiner embryonalen Hand und dem reptilischen Gesicht ( Dacqué 1924 : 87 ).
Der amphibische Mensch taucht nicht nur in der Sage von Oannes auf, auch der
Wildmensch Engidu des Gilgamesch-Epos war beschuppt, und eine mohamedanische
Überlieferung spricht von den ersten Menschen, die einen hornartigen roten Panzer hatten
eine Erinnerung, laut Dacqué ( 1924 : 93 ) an den adamitischen Menschentypus.
Auch die Sagen von Drachen und Riesenschlangen, die zu Urzeiten lebten, und die besiegt
werden mussten, um das Land fruchtbar und zivilisierbar zu machen, und die Mythen von
dem den Urdrachen zerstörenden Gott führt Dacqué ( 1924 : 98-120 ) auf eine
Rassenerinnerung des Menschentypus an die Dinosaurier des Mesozoikums zurück. Die
Seeschlange ist nichts anderes als eine Erinnerung an den Mosasaurus
( Dacqué 1924 : 102 f ),
eine babylonische Darstellung eines aufrechtgehenden, geflügelten Reptils hält er für eine
Erinnerung, die verschiedene Sauriertypen mischt ( Dacqué 1924 : 105 f ).
Auch die Katastrophen sind im Gedächtnis der Menschheit geblieben : in der Sage vom
untergegangenen Kontinent Atlantis, oder den vielen Sintfluterzählungen, sind diese
geologischen Ereignisse überliefert ( Dacqué 1924 : 121 f ).
Hier ist auch das Gebiet, in dem Dacqué viele zweifelbaren Quellen anführt - von den
Theosophen und ihre Spekulationen ( die ja auch von verschiedenen Menschentypen zu
verschiedenen Zeitaltern sprachen ) bis zu Hörbigers Welteistheorie und seinen
Mutmassungen über auf die Erde gestürzte Monde. Allerdings legt sich Dacqué nie darauf
fest, diese Ideen als wahr darzustellen, er führt sie lediglich als Belege für die von ihm
geäusserten Vorstellungen auf, und stellt fest, dass andere über deren Brauchbarkeit zu
entscheiden hätten.
Schliesslich kontert Dacqué ( 1924 : 75 )
das Argument, es seien niemals fossile Spuren der
mythologisch bezeugten Amphibien - und Reptilmenschen gefunden worden, mit der
Feststellung, dass das vermutlich daran liege, "dass ( sie ) in Gebieten lebte(n), die heute
grösstenteils verschwunden sind, wie etwa der grosse, von Südafrika und Madagaskar über
Indien und Australien bis in die polynesische Inselwelt hinein sich erstreckende
Gondwanakontinent". Das erinnert wieder an die Theosophen, die ihrerseits behaupteten,
die früheren Menschentypen hätten auf Mu und Atlantis gelebt. Heute, da Wegeners
Kontinentaldrifttheorie allgemein anerkannt ist, gilt dieser Ausweg natürlich nicht mehr.
Die Veröffentlichung dieses Buches führte dazu, dass Dacqué seinen Universitätsamt
verlor ( Biedermann 1987 : 6 ), er widmete sich in der Folgezeit,
bis zu seinem Tot am 14. September 1945 in Solln bei München,
der weiteren philosophischen Ausarbeitung seiner Ideen.
War in "Urwelt, Sage und Menschheit" der paläontologische Teil der Arbeit so
umfangreich wie der metaphysische, so erhielten nun religiös-philosophische Spekulationen
die Oberhand. Dacqué distanzierte sich später von der "irrigen Anfangskonzeption des
Vormenschen früherer Erdzeitalter" ( Quenstedt & Schröter 1957 : 466 ) und interpretierte
seine Kritik an der rein mechanischen Evolutionstheorie geistiger. Getreu der Aussage des
deutschen Mystikers Meister Eckharts ( "Alle Natur meint den Menschen" ) formulierte er
später : "Die Entwicklung des Lebensreiches ist, metaphysisch und physisch gesehen, die
Offenbarung der Entelechie des Menschen. In aller naturhistorischen organischen
Entwicklung liegt der Mensch - grundsätzlich und von Anfang an "( nach Quenstedt &
Schröter 1957 : 466 ).
Dacqués Ideen basieren also auf dem Versuch, Mystik und Wissenschaft und Religion in
Einklang zu bringen. Der Versuch, eine geologische Vergangenheit des Menschen zu
beschreiben, liegt in der auf christlicher Lehre basierenden Vorstellung von der
Sonderstellung des Menschen als Gipfel der Evolution. Die Annahme eines adamitischen
und noachiten Menschentypus wurzelt also nicht in Dacqués Versuch, rätselhafte fossile
Tatsachen zu deuten, sondern umgekehrt in dem Verlangen, fossile und mythologische
Indizien für eine komplexe philosophische Vorstellung zu finden. Selbst in dem teilweise
verwirrenden Cocktail aus Mythologie, Theosophie, Theologie und Paläontologie des
"Urwelt"- Buches ahnt man den grossen Philosophen, der revolutionäre Weltbilder entwirft.
Dacqué ist in der Folgezeit fast vollkommen vergessen worden.
Wendt ( 1965 : 385 )
erwähnt ihn als Vertreter einer idealistischen, irrenden Paläontologie, die versuchte, aus
wenigen Fakten komplexe evolutionäre Stammbaüme zu erahnen ; Joachim Illies, ein
christlicher Zoologe und Philosoph, zitiert Dacqué zur Bestätigung seiner eigenen
Vorstellungen über eine auf den Menschen hinzielende Evolution ( Illies 1973 : 222 ).
Ob man ihn nun als Philosophen und bedeutenden Denker, oder als frühen Vertreter der
Theorie eines hohen Alters des Menschengeschlechtes, oder nur als kuriösen,
bilderstürmerischen Autor sieht - die Tragweite und Universalität von Dacqués
Vorstellungen verblüfft und fasziniert, und sie lehrt nachdenken.